Im Jahr 2024 hatte ich das Vergnügen, an Jurysitzungen teilzunehmen zu dürfen. Dabei fiel mir auf, wie unterschiedlich Fachpreisrichter:innen (Architekt:innen) und Sachpreisrichter:innen Projekte bewerten. Erstere verwenden für Außenstehende oft eine verwirrende Sprache, den sogenannten „Architektur-Sprech“.

Kann es sein, dass diese Art der Architekturbeschreibung nur wenig mit der (gebauten) Realität zu tun hat? Im Unterschied zu vielen anderen Fachdisziplinen kann und soll jede:r eine Meinung zur gebauten Umwelt haben. Ist somit die Sprache der Architekt:innen bloß ein Versuch, die eigene Kompetenz zu betonen?

Anbei ein Auszug der Begriffe, die in der Architekturwelt Verwendung finden:

  1. Kohärenz
  2. Raum aufspannen (oder: „Einen Raum aufspannen“)
  3. Programmierung im Erdgeschoss
  4. Zonierung
  5. Nimmt die Achse auf und lenkt sie um
  6. Versetzte Volumina
  7. Gründerzeitliche Höhenentwicklung
  8. Gelenkwirkung
  9. Zentrale Mitte
  10. Pufferraum
  11. Schichten
  12. Silhouettenbildung
  13. Freiraum fassen
  14. Orientierung
  15. Implantate
  16. Platzaufweitung
  17. Vielschichtig gestaltet
  18. Runde Mitte
  19. Einladende Geste
  20. Landeplätze
  21. Stringente Aussage
  22. Verhältnismäßigkeit zum Grundriss
  23. Optische Annäherung an einen Übergang
  24. Ankommensraum
  25. Richtung
  26. Gute Dimensionierung
  27. Versucht, eine Maßstäblichkeit einzuführen
  28. Frage der Dimensionierung
  29. Vermittlergebäude
  30. Reparabel
  31. Kohärenz und Differenz
  32. Schafft unterschiedliche Raumsituationen
  33. Die Geste des Zurückspringens
  34. Architektonisch gesetzt
  35. Gewisse Maßstäblichkeit, doch städtisch
  36. Großstadträumlich gedacht
  37. Gefasst
  38. Umgang mit der Formgebung
  39. Heterogene Bebauung
  40. Ausrinnen
  41. Die Achse muss gefasst werden und einen Durchblick gewähren, sonst rinnt es aus.
  42. Unterschiedlich gewichtete Elemente
  43. Müsste spezifischer reagieren
  44. Einigkeit der Baukörper
  45. Nischenräume
  46. Fließende Dachlandschaft um die Hochpunkte
  47. Durch die Amöbenhaftigkeit verwischt es dann.
  48. Inhaltlicher Widerspruch
  49. Großzügigkeit hat eine formale Qualität
  50. Mehrfachnutzung
  51. Vermittlung
  52. Eigenständigkeit
  53. Verzahnung
  54. Formale Kohärenz
  55. Konzeptuell
  56. Klare Platzform
  57. Unterschiedliche Raumqualitäten
  58. Antimonumental
  59. Schicht (bzw. „Schichten“ oder „Schichtung“)
  60. Pixelierung in der Granularität
  61. Monumentalität des Trivialen
  62. Menschlichen Maßstab einhalten
  63. Elastizität

So sieht das Ganze dann aus:

Fiktive Architekturkritik zum städtebaulichen Wettbewerbsbeitrag

Das prämierte Wettbewerbsprojekt überzeugt zunächst durch seine Kohärenz, da es gelingt, einen homogenen städtebaulichen Raum aufzuspannen. Bereits in der Programmierung im Erdgeschoss zeigt sich eine kluge Zonierung, die vor allem dadurch besticht, dass sie die Achse aufnimmt und lenkt sie um, während versetzte Volumina die gründerzeitliche Höhenentwicklung aufnehmen. Durch diese Maßnahme entsteht eine Gelenkwirkung, die eine zentrale Mitte prägt. Gleichzeitig fungiert ein Pufferraum als Übergang zwischen öffentlichem und privatem Bereich, während unterschiedliche Schichten die Silhouettenbildung unterstützen. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, den Freiraum zu fassen und die Orientierung zu verbessern. An markanten Punkten fungieren bewusst gesetzte Implantate, die für eine Platzaufweitung sorgen und das Quartier vielschichtig gestalten. Ein Highlight ist die runde Mitte, die mit einer einladenden Geste als verbindendes Zentrum funktioniert und sogar Landeplätze für urbane Mobilitätskonzepte vorsieht. Trotz dieser stringenten Aussage wahrt das Projekt die Verhältnismäßigkeit zum Grundriss und erzeugt eine optische Annäherung an einen Übergang, indem ein klar definierter Ankommensraum die Richtung vorgibt.

Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Architekt:innen auf eine gute Dimensionierung setzen, indem sie versuchen, eine Maßstäblichkeit einzuführen. Dennoch stellt sich an einigen Stellen die Frage der Dimensionierung, insbesondere im Hinblick auf ein potenzielles Vermittlergebäude, das jedoch als reparabel erscheint. Der Entwurf spielt gekonnt mit Kohärenz und Differenz, indem er unterschiedliche Raumsituationen schafft und sich zugleich durch die Geste des Zurückspringens von benachbarten Strukturen abhebt. Diese architektonisch gesetzte Entscheidung führt zu einer gewissen Maßstäblichkeit, doch städtisch bleibt das Ensemble dennoch, vor allem dank der großstadträumlich gedachten Blockränder. Die Plätze wirken gefasst, was den Umgang mit der Formgebung unterstreicht. Allerdings kann an einigen Stellen eine heterogene Bebauung zu einem unerwünschten Ausrinnen führen: Die Achse muss gefasst werden und einen Durchblick gewähren, sonst rinnt es aus. Außerdem sind unterschiedlich gewichtete Elemente zu erkennen, die müssten spezifischer reagieren, um eine Einigkeit der Baukörper zu betonen. In Nischenräumen zeigt sich eine fließende Dachlandschaft um die Hochpunkte, doch durch die Amöbenhaftigkeit verwischt es dann teils.

Hier offenbart sich ein inhaltlicher Widerspruch: Einerseits soll eine Großzügigkeit mit formaler Qualität entstehen, andererseits ist eine Mehrfachnutzung angestrebt, die eine Vermittlung zwischen öffentlicher und privater Sphäre vorsieht. Trotz dieser Herausforderungen überzeugt der Entwurf insgesamt durch seine Eigenständigkeit und die gelungene Verzahnung der Baukörper, was eine formale Kohärenz erkennen lässt. Konzeptuell basiert das Projekt auf einer klaren Platzform, die unterschiedliche Raumqualitäten bietet und sich antimonumental präsentiert. Zugleich verdeutlichen einzelne Schichten der Fassade eine subtile Pixelierung in der Granularität, die eine Monumentalität des Trivialen erzeugt. Dabei wird konsequent der menschliche Maßstab eingehalten, was dem Entwurf eine gewisse Elastizität in Bezug auf wechselnde Nutzungsanforderungen verleiht.